Alexander Herrmann, Portrait für Food Fellas Gastromagazin

Alexander Herrmann im Food Fellas
Interview über Trends, Mitarbeiter*innen und die Zukunft des Kochfernsehens

Alexander Herrmann und Tobias Bätz haben für das Restaurant Alexander Herrmann by Tobias Bätz im Posthotel in Wirsberg den zweiten Stern des Guide Michelin erhalten. Ihre Menüs zeigen große Kreativität, fundiertes Wissen und beste Produkte, die von einem grandiosen Team präsentiert werden.

Ihm geht es darum, den Menschen eine exzellente Küche mit seinen verschiedenen gastronomischen Konzepten zugänglich zu machen – zum Beispiel den Gästen in seinen Restaurants oder den Zuschauern der TV-Sendungen, in denen er auftritt.

Und: Alexander Herrmann ist nicht nur kulinarisch omnipräsent, sondern auch im Social Web in direktem Austausch mit Fans, Foodies und Kollegen. Was dabei besonders auffällt: Der Spitzenkoch stellt immer wieder sein Team in den Vordergrund, das man auf den verschiedenen Kanälen – genau wie im Restaurant selbst – natürlich und fast persönlich kennenlernt.

Klar verfolgen auch die Food Fellas gern Posts, Stories und Sterneregen und freuen sich über das Interview mit Sternekoch Alexander Herrmann.

Alexander Herrmann erzählt, wie eine hohe Qualität in diversen Konzepten gleichzeitig gelingt, was sich in den letzten Jahren für die Mitarbeiter*innen geändert hat, warum Köche keine Rockstars sind, wie er die Zukunft des Kochfernsehens sieht und andere brennende Themen!

© Food Fellas Franziska Walther

Interview mit 2-Sterne-Koch Alexander Herrmann

Food Fellas: Erst einmal bzw. noch einmal: Herzlichen Glückwunsch zum 2. Stern, der sicherlich eine Zäsur in Ihrer Karriere ist. Sie stammen aus einer Gastronomenfamilie, waren einer der ersten Fernsehköche und sind einer der bekanntesten Köche Deutschlands. Sie sind mit diversen gastronomischen Konzepten erfolgreich und sehr aktiv, kennen also wirklich alle Seiten der Gastronomie. Welche ist die spannendste?

Alexander Herrmann: Ganz klar, es geht nicht darum welches Konzept, Restaurant oder Gastronomie man betreibt, sondern wie man das durch Kreativität und Inhalt ausleben kann. Das finde ich spannend.

Es ist egal, ob es eine Würstelbude oder ein Fine Dining Restaurant ist, einen Weg zu finden, kreativ zu sein und die Dinge auf dem Teller mit Brillanz, Witz, Humor zu präsentieren und durch inhaltsstarke Momente zu füllen, das finde ich am spannendsten, das ist am schönsten.

 

Food Fellas Interview Alexander Herrmann
© Derek Henthorn

Food Fellas: Wenn Sie zurückblicken auf die TV-Präsenz; die Kochshows haben sich gravierend geändert. Deren Einfluss auch? Früher wurde vorgekocht, heute gibt es Challenges und das Handwerk und die Qualität der Lebensmittel werden mehr fokussiert. Schaffen die Shows und ihre Popularität ein neues Bewusstsein fürs Kochen und für die Gastronomie – auch bei einer jüngeren Zielgruppe?

Alexander Herrmann: Haben sie schon längst, gerade durch The Taste bekomme ich mit, wie viele Kinder während der Ausstrahlungen zu mir ins Bistro zum Essen kommen, weil sie das, was sie im Fernsehen sehen, einmal live erleben wollen. Es wurde vor ca. 20 Jahren eine Reset Taste gedrückt, und zwar als man mit dem Kochduell, Alfred Biolek und Co. das „High-End-Denken“ in den Haushalten durch den lockeren Moment ersetzt hat.

Die Gesellschaft hat sich schwer verändert. Kochen hat sich zu einem neuen Lebensmittelpunkt entwickelt.

Food Fellas: Sind Köche Rockstars? Hat sich da etwas in den letzten Jahren geändert?

Alexander Herrmann: Waren wir noch nie. Der Moment, in dem um uns ein Hype gestrickt wurde war, als man unser damals noch nicht so bekanntes Handwerk mit der Floskel versehen hat: „Ich habe hier mal was für Sie vorbereitet!“.

Und dabei hat man Dinge auf dem Bildschirm gezeigt, die in dieser Qualität und mit dieser Raffinesse, für den normalen Menschen nicht nachzumachen waren. Das wurde mit der Zeit heruntergebrochen auf ein: „Das kannst du auch!“ und durch dieses Vertrauen, inklusive der Weitergabe von Inhalten und Wissen, ist plötzlich diese Euphorie uns gegenüber entstanden, aber Rockstars? Sorry, also ich habe noch kein Hotelzimmer verwüstet und lege auch sonst keine Rockstar-Attitüden an den Tag und auch von meinen Kollegen ist mir nichts bekannt.

 

Food Fellas: Sie waren einer der ersten, der öffentlich und unangepasst für Themen eingestanden ist. Wie kam das bei Kollegen an?

Alexander Herrmann: Komischerweise weiß ich nicht von was Sie sprechen. Ich zeige schon immer meine Haltung, auch wenn das manchmal für mich eher negativer als positiv war. Weil unsere Gesellschaft heute eine klare Haltung eher mit Hasstiraden als mit Schulterschluss quittiert. Mit meinen Kollegen habe ich noch nie Probleme gehabt, im Grunde denken wir alle ähnlich.

Food Fellas: Sie haben unterschiedliche Häuser mit verschiedenen gastronomischen Konzepten sowie punktuelle Angebote wie Palazzo, die Walhall-Lounge bei den Bayreuther Festspielen oder eine Koch-Live-Show on Tour. Wie gelingt eine durchgehende Qualität?

Was lässt sich delegieren, was muss der Chef unbedingt selbst machen?

 

Soup of the day Champagner Alexander Herrmann Imperial Schriftzug / Food Fellas

© Food Fellas Franziska Walther

Alexander Herrmann: Die Grundvoraussetzung für diese Menge an unterschiedlichen gastronomischen Objekten sind hervorragende und einzigartige Mitarbeiter.

Und um die zu finden braucht es Vertrauen, Respekt und ich muss sie stark machen. Mit diesen Grundlagen kannst du größer werden, erwachsen und du brauchst eine „Fehlertoleranz“; denn eins ist klar, 95% aller Fehler, die im Alltag passieren können, über die man sich oft auch intern aufgeregt hat, sind ohne Belang. Auch in meiner Vergangenheit, als ich noch in der Lehre bei Kollegen war, sind diese Fehler ohne Belang gewesen, 95% aller Fehler spielen keine Rolle.

Deshalb muss man seine Mitarbeiter an den Stärken messen und nicht an den Fehlern. Somit stellt sich die Frage des Delegierens nicht, es ist ein Schulterschluss. Wir entwickeln alles gemeinsam und somit wird jedes gastronomische Objekt auch ein Teil von den Mitarbeitern. So gelingt es, diese Welt von Alexander Herrmann und die Gastronomie drumherum aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln.


Food Fellas:
Was ist Fluch und was ist Segen dieser gastronomischen Diversifizierung?

Alexander Herrmann: Ein Hamsterrad sieht von innen betrachtet aus wie eine Karriereleiter, die Schwierigkeit ist, du musst dich vorher entscheiden. Hast du einen kleinen Betrieb, mit 3-4 Leuten und machst alles aus eigener Hand, dann bist du frei was Mitarbeiter angeht aber natürlich auch gebunden, denn du bist die einzige und größte Stütze deines Betriebs. Dann gibt es natürlich das Gegenteil, und zwar, dass du mit vielen Mitarbeitern alles stemmst. Und jetzt gibt es ein Problem, du brauchst eine gewisse Größe, um selbst eine gewisse Freiheit zu bekommen. Denn sonst bist du trotz Mitarbeiter die Geisel des eigenen Betriebes. Ich möchte eine Weiterentwicklung mit vielen Menschen unter dem Teamgedanken machen, für diesen Weg habe ich mich entschieden, und deswegen glaube ich, stecke auch ich im Hamsterrad, bilde mir ein, es geht weiter nach vorne, was bisher ganz gut klappt.

Food Fellas: Ist die breite Aufstellung auch bzgl. Einkauf und Querfininazierung ein Vorteil, gibt es eine Mischkalkulation? (Darf man das fragen?)

Alexander Herrmann: Selbstverständlich darf man das fragen. Das Projekt Nürnberg und das Projekt Wirsberg stehen jeweils für sich, es sind getrennte Betriebe und jeder Betrieb muss natürlich für sich selbst funktionieren. In Wirsberg ist Hotel, 2-Sterne-Gastronomie, Bistro und Kochschule. Während in Nürnberg das Fränk’ness und das Imperial unter einem Dach stecken. Beide Projekte sind sehr unterschiedlich und müssen sich selbst beweisen. Natürlich gibt es Querstärken, die genutzt werden können. Das sind Mitarbeiter-Kompetenzen und Know How, aber finanziell stehen natürlich alle für sich.

Food Fellas: Sie rücken den Fokus in den sozialen Medien und in Interviews immer wieder auf Ihr Team. Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten 5 Jahren für Mitarbeiter*innen in der Gastronomie verändert und was muss sich noch ändern?

Alexander Herrmann: Grundsätzlich hat sich in der gesamten Gesellschaft ein Paradigmenwechsel vollzogen, das heißt, dass handwerkliche Arbeit gefühlt nichts mehr wert ist, das schockt mich sehr. Nur noch Studium und Abitur sind in unserer Gesellschaft anerkannt.

Ich sehe das anders, wenn du ein hervorragender Handwerker bist, bist du frei.

Ein Schuster kann überall auf der Welt arbeiten. Ein Bäcker kann überall auf der Welt arbeiten, sie machen ihr Ding und müssten noch nicht einmal die Sprache sprechen, weil sie sich mit den Händen verständigen könnten. Ein Jurist tut sich hier schon etwas schwerer. Nicht nur die Sprache, sondern auch die Rechtsprechung wären hier die ersten Hindernisse. Also Handwerk bedeutet auf jeden Fall Freiheit. Dieser Ist-Zustand hat sicher auch damit zu tun, dass sich das Handwerk immer schon selbst schlecht gemacht hat. Der Fokus lag immer auf den negativen Seiten. So hat man beispielsweise, wenn man auf dem Bau war, selbst gesagt, wie unschön es ist bei Minusgraden oder schlechtem Wetter draußen zu stehen. Jeder Beruf hat aber solche Seiten, man muss den Fokus darauf legen was man erschaffen kann, was man gestaltet. Es gibt Bauarbeiter, die gestalten Bauten, da geht man Jahrzehnte später als Nachkomme noch daran vorbei und sagt: „Das hat mein Vater mit gebaut“. Handwerker schaffen monumentale Werke, sie erschaffen großartige Dinge, so sollte man das Handwerk sehen, nicht das Negative, sondern das Positive in den Fokus stellen.

Food Fellas: Gibt es eine Frage, die Sie schon immer einmal in einem Interview beantworten wollten? Und wenn ja, wie ist die Antwort?

 

Alexander Herrmann: Wie glauben Sie ist die Zukunft des Kochfernsehens?

Ich glaube an das Kochfernsehen und daran, dass es noch lange einen Platz bei den Zuschauern haben wird, aber nur dann, wenn es echt ist.

Echte Emotionen, echte Reaktionen, weniger Studio, mehr in echten Locations.
Der „Echtheitsfaktor“ wird ein wichtiger Moment und vor allem, endlich den Blödsinn weglassen. Was mich häufig irritiert ist, dass mittelmäßige bis schlechte Leistungen unterschiedlichster Kandidaten in den Mittelpunkt gestellt werden, was einem nur noch ein Kopfschütteln entlockt und das kann nicht die Zukunft sein. Man darf die Zuschauer nicht für dumm verkaufen. Fernsehen soll doch die besonderen Highlights und das besondere Können unserer Gesellschaft darstellen.

So würde ich die Menschen gerne im Fernsehen sehen, ich möchte den besonderen Moment sehen, den sie leisten, der interessiert mich.

 

Food Fellas: Vielen Dank für das Interview.

Das Besuchen der drei Restaurants in Franken war jedes für sich ein inspirierendes Erlebnis!

Besonders beeindruckend: Es ist natürlich die hervorragende Qualität und Komposition der Speisen und Getränke, die gleichzeitig überraschend zusammengestellt sind und Humor in die Gourmetküche transportieren. Auch anhand von exzellentem Storytelling wird man in die Welt von Alexander Herrmann geführt. Außerdem: Immer wieder wird das Team und dabei jeder einzelne in seiner Bedeutung herausgestellt. Diese Wertschätzung strahlt das Team auch durchgehend aus und es ensteht 360 Grad gelebte Gastlichkeit.

Interview: Mia und Franziska
Titelfoto: Derek Henthorn


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