Ein Abend mit Euch: #LieblingsRestaurantGäste und #Foodies

Liebe Gäste,

kaum sind meine Kolumnen an zwei Fingern abzuzählen, kommen die ersten freundlichen Bemerkungen darüber, dass Ihr gar keine Rolle spielt. Und obwohl das nicht stimmt, denn mein ganzes Leben dreht sich um Euch und eine komplette Branche ebenfalls, selbst wenn sie momentan gelegentlich so tut, als ginge es um die „Rekonstruktion von Gerichten im Konvektomaten“ (#Aaron) oder wie die Kurse in eine neue Gastronomie gerade heißen. Ich werde also den Pass verlassen und mit Euch einen Abend verbringen.

May I lead the way?

Nun denn. Gebt mir ruhig Eure Jacken bzw. gebt sie an der Garderobe ab. Die meisten Restaurants haben ein ausgeklügeltes System zum Suchen und Finden, das nur dann zusammenbricht, wenn es die Garderobenstange auch tut. Wenn Ihr hinter der Tür zur Garderobe nur noch Fluchen und Lachen hört und keiner mehr rauskommt, dann ist genau das passiert: dann liegen die 150 Mäntel des Gala-Dinners der gleichnamigen Zeitschrift auf den 150 goodie bags und dazwischen zwei Mitarbeiterinnen.

Das einzig Gute daran: Es war die Fashion Week. Die hatte den Vorteil, dass nicht alle schwarze Mäntel trugen. Oder doch? Ich weiß es nicht mehr. Es war schrecklich. Und unfassbar lustig (#Ina).

Die nächste Hürde, die unsere frische Bekanntschaft zu umschiffen hat, ist das merkwürdige Misstrauen, schlecht platziert zu werden.

Ja, es gibt immer den Tisch, der nicht der schönste im Restaurant ist. Aber der hat vielleicht die charmanteste Kellnerin (#Lotti).

Ich merke doch, ob Ihr ein Date habt, ob Ihr angespannt seid oder geschäftlich reden wollt. Vertraut mir.

Und seid gern nett zu mir. Natürlich ist die Versuchung groß, sich freundlich an dem Gast zu rächen, der einem schon beim Reinkommen verbal auf die Füße kotzt (ohne Hashtag).

Und: Ja, Touristen sind ganz gern mal die Staffage für die doofen Plätze. Wie sagte einer der Berliner Wirte (auch ohne Hashtag), als er anfing, die Gäste im Veranstaltungsraum im Keller zu platzieren:

„Die kommen ja nicht wieder. Ich brauche die guten Plätze für Stammgäste.“

Damals fand ich das unfassbar arrogant, heute weiß ich, was er meinte. Aber, auch hier: Andere Kolumne. Vermutlich zwei. Plus eine über Stammgäste und die Missverständnisse dahinter. Und die Freundschaften.

Aber heute haben wir ja einen gemeinsamen Abend und ich habe auf dem Weg zum Tisch vielleicht schon mal die Speisekarten mitgenommen, weil wir es so eingerichtet haben, dass die Karten quasi auf dem Weg liegen. In manchen Restaurants allerdings muss ich dafür über sieben Brücken geh´n. Sieben dunkle Jahre übersteeeeeeh’n. Dann dauert es kurz. Und trotzdem werde ich Euch, wenn Ihr sitzt, fragen, ob Ihr etwas trinken wollt. Weil: Vielleicht habt Ihr ja Durst. Oder Lust auf ein alkoholisches Getränk.

Merkwürdigerweise ist diese erste Frage auch eine Frage voller Missverständnisse:

Möchten Sie schon etwas trinken?

„Wir haben uns gerade erst gesetzt“, „Wir haben ja noch nicht mal in die Karte geschaut“ „Entschuldigen Sie, wir wissen ja noch nicht mal, was wir essen wollen“.

Hm. Was passiert denn da? Denkt Ihr, ich werde nach Umsatz bezahlt und gebe schon in den ersten Minuten Gas? (Nebenbei bemerkt: Ich war in meinem Leben nie am Umsatz beteiligt. Dafür war ich viel zu langsam … hört auf zu lachen da draußen. Außerdem ist das auch so absurd. Umsatzbeteiligung. Warum nicht Anteile am Betriebsergebnis? Hilft ja keinem was, wenn ich unfassbar viele Biere verkaufe, aber jeden Abend 20 Gläser kaputt poliere. Aber das nur nebenbei).

Also, liebe Gäste, wenn ich Euch frage, ob Ihr was trinken wollt, sobald Ihr sitzt, schlägt da mein Herz in Fürsorge.

Trägt mich mein Dienstleistungsegen. Vielleicht meint Ihr auch, Euch mit einem Blick in die Karte über die Preisstruktur informieren zu können. Aber ehrlich, was soll eine Flasche Wasser kosten? Außer vielleicht auf der Adlonterrasse. Aber da sind die Preise eh so absurd, dass Ihr bitte mit fast allem rechnet.

So. Und dann habt Ihr also in die Karten geschaut. Und zuppelt mir am Blusenärmel, weil ihr e-n-d-l-i-c-h bestellen wollt. Erstens: Ich sehe Euch. Also: ICH sehe Euch. Ihr seid Teil meines über alles geliebten Jobs, ich weiß, wer was in meiner Station, in meinem Restaurant gerade braucht. Vielleicht kann ich nur gerade noch nicht zu Euch. Vielleicht musste ich meiner einen Köchin sagen, dass ihre Mutter gestorben ist. Vielleicht musste ich für extra Sauce Hollandaise in der Küche so lange betteln, dass ich am liebsten nach Hause gehen würde. Vielleicht ist die Dame am Empfang krank geworden und ich erledige ihren Job mit.

Immer wieder: Vertraut mir doch. Wirklich. Ich eile. Also dann: Was darf´s denn sein? Und dann passiert folgendes:

Er: „Schatz, was möchtest Du denn?“ (Und ich weiß, ich könnte sofort los, mich erstmal um die anderen Gäste kümmern, weil erfahrungsgemäß wird dieser Dialog hundert Jahre dauern.)

Sie: „Ich weiß nicht. Was nimmst Du denn?“

Er: „Naja. Ich hätte ja ein Bier getrunken. Aber Du willst Wein.“

Hier gibt es für mich einen kurzen Moment, in dem sich alles drehen kann. Den darf ich nicht verpassen. Also: Haha, sage ich, das macht doch nichts, Ihr dürft auch gern individuell trinken.

Leider nur irritierte Blicke zu mir und dann weiter im Symbiosetext:

Sie: „Ach so, dann trinke ich halt auch Bier“

Er: „Nein, musst Du nicht“

Sie: „Warum, das kann ich schon auch mal machen. Ich habe so lange keins. Sie haben hier. …

Es folgen ganz viele Gründe und meinem Chef ist: „Was stehst Du so lange am Tisch?“ (#luciano) in die Stirn tätowiert und blinkt wie schlechte Weihnachtsbaumbeleuchtung und ich zucke entschuldigend mit den Schultern in seine Richtung, den anderen Gästen winke schon mal fröhlich zu, und die nächste Atempause nutze ich und sage:

„Nehmt Euch Zeit, ich bin gleich wieder da, dann könnt Ihr in aller Ruhe entscheiden“

And now you better run. Schwupps alle anderen Tische aufgenommen, in die Kasse gebucht, und mit vor Eile quietschenden Schuhen wieder bei Euch gelandet. Ihr nehmt nun doch Wein, weil Euch der eine auf der Weinkarte plötzlich an den Sommer in der Toskana erinnert, und Ihr wisst, was Ihr essen wollt und entspannt Euch zusehends.

Hey. Schön, dass Ihr da seid. Von nun an wird uns nicht mehr viel passieren. Und wenn Ihr fertig seid, werdet Ihr Euch verabschieden und für den Service bedanken und ich mich bei Euch. Weil Ihr herrliche Gäste wart. Und ich werde es so meinen. Nicht, weil Ihr mir Trinkgeld gegeben habt, sondern Euch eingelassen. Danke.

Aber: Apropos Trinkgeld ….. next time. Maybe.

Mehr von Frau Schmittke am Pass gibt es auf der Seite Gastro-Kolumne.


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