Frau Schmittke catert. Oder — Empathiecheckliste für einen Abend mit Gästen, Köchen & Frau Schmittke.

Manchmal ruft mich jemand an und sagt,

„Duhu, am Freitag habe ich 16 Gäste und brauche unbedingt einen Koch bei mir zu Hause, es soll nicht viel geben, vlt. vier Gänge oder fünf; das Geschirr krieg‘ ich bestimmt vom Café gegenüber und Besteck, naja, das müsste halt gesilbert werden, aber davon sollte genug da sein und für meinen Siebenmetertisch schickt mir meine Mutter ihre wundervolle Viermetertischdecke, die reicht nicht ganz, aber ich habe am Strand von Mauretanien ja noch Tischdecken gekauft, die kann man auch benutzen

– dir fällt bestimmt was ein, Bussibussi, hab dich lieb, ich bin am Gardasee, ich hab nämlich so Bandscheibe.“

Aha. Aha. Aha, denke ich dann gerne,

während ich hinter der Cordobarbar Gläser poliere und leise den Kopf schüttel darüber, wie sich meine Freunde mein Leben vorstellen und wie ich leider nicht ganz so leise merke, dass sich mein Ehrgeiz räkelt und in seiner Ostsozialisierung mit der Faust schüttelt und „nu pagadi“ murmelt. Und weil Freunde an der Bar sitzen, erzähle ich es ihnen und beim Erzählen merke ich, dass auch ihr Interesse erwacht und beglückwünsche mich im Stillen dazu, wie schlau es war, ihnen diese eigentliche Anekdote zu erzählen, denn es sind nicht nur Freunde, sondern auch Köche, und schwupps haben wir ein Menü für 16 Leute an einem Abend irgendwann im September und merken an selbigem, wie herrlich wir zusammen arbeiten können. Und das ist nur die Kurzfassung.

Denn, was ich eigentlich erzählen will:

Wir catern nun also immer mal. Die Absprachen sind relativ einfach und Tage vorher in Sack und Tüten. Am letzten Abend beginnen wir, das Auto zu packen, alle Listen zu checken, alles festzuzurren und nochmal durchzugehen, und fast würden wir uns hinsetzen und nochmal kurz schwatzen, aber huch! Die Simse bimmeln, und es wird spannend:

Denn nun fällt den Vegetariern ein, dass sie Vegetarier sind; den Allergikern fällt ein, dass sie allergisch sind, oftmals wissen sie nicht mehr genau, was es war, auf alle Fälle Karotte und asiatische Gewürze, just to make sure. #dill

Und der Gastgeber hat sich unendlich viel Mühe gegeben, die richtigen Weine auszusuchen und kann sich in seinem gut sortierten Weinkeller nur einfach nicht entscheiden, schreibt somit seine 28 verschiedenen Lieblingsweine auf, holt sie schonmal hoch und verkostet sie, weil er seine Schätze unbedingt mit seinen Freunden zu unserem Essen teilen möchte, und schickt uns ein Foto.

Während also irgendwo, meistens im schönen Hamburg, jemand in seinem Wohnzimmer sitzt und Weine degustiert,

raufen wir uns in der selben Nacht auf dem Demeterhof einige Kilometer entfernt die Haare und zerbrechen uns den Kopf, als hätten wir es nicht vorher gewusst, als könnten wir nicht genau von immer den gleichen Faktoren und Entwicklungen ausgehen; nein, nein weit gefehlt: auch diesmal sind wir wieder genau so überrascht, wie davon, dass am 24.12. Weihnachten ist. Wir finden Lösungen und ins Bett, alles wird gut, und übrigens werde ich morgen dem Gastgeber als Erstes sagen, dass  der 2007er Barolo dringend wieder in den Keller darf, far too young.

Am nächsten Tag fahren wir dann los, und jedesmal bin ich gespannt, ob man uns wohl reinlässt – in Berlin Mitte sähen wir vermutlich hip aus; in Hamburg denke ich ein ums andre Mal, wir erinnern an Komparsen vom Filmset: „Die fetten Jahre sind vorbei“, aber es scheint die Leute nicht zu stören, bisher haben sie uns immer Einlass gewährt. Einmal angekommen, wird es am Spannendsten:

Wie findet das Kennenlernen statt, wie ist der erste Blick, der erste Satz, was passiert zwischen uns, an welcher Stelle entscheidet sich auch mein Umgang mit den Gästen, denn die anderen beiden Komparsen (haha) sind nun in der Küche und per se die Stars (und das zurecht, die letzte Küche war einen Meter lang und kaum irgendwas in der Breite, und sie zaubern acht Gänge aus dem Hut. Und es muss der Hut gewesen sein, denn … siehe Küchenmaße)

 

Ich sag mal so: Im besten Falle treffen wir auf Menschen, die entweder über kultivierte Bildung verfügen (gern über Generationen weitergegeben), sprich: Leute, die wissen, wie und was sich auf den Bühnen und in den Küchen dieser Welt gehört, ob mit der Putzfrau, der Queen und auch der eigenen Familie oder auf  Menschen, die ein riesiggrosses Herz haben und einfach fühlen, was es braucht.

Wenn beides nicht so ganz ausgebildet ist, oder wenn es leichte Unsicherheiten auf High Heels und dem glatten gesellschaftlichen Boden gibt, dann hier die

Empathie – Checkliste für einen Abend zu Hause mit Gästen und Köchen (und Frau Schmittke):

  1. Begrüssung und kleiner Rundgang durch die zu bespielenden Gemächer.
  2. Hinweis auf die zu benutzende Toilette (was immer doof kommt, ist: „Die Gästehandtücher nehmt ihr bitte nicht.“ #justsaying)
  3. Mineralwasser
  4. Erläuterung der Kaffeemaschine (die ist meist so spät in Benutzung, dass ich keinen mehr so richtig fragen kann, ohne Gefahr zu laufen, dass ich die Antwort nicht verstehe) #tropfschaleleeren
  5. Vertrauen! Bleibt sitzen, wenn die Schranktüren klappen. Ich such doch nur die Kaffeetassen über der Kaffeemaschine, wo bei euch die Eierbecher stehen. Futuristisch, wie es manchmal ist, weiss ich auch nie genau, ob es nicht doch die Espressotassen sein könnten.
  6. Vorstellung unserer Dreiercombo Richtung Gäste. Dann passiert es auch nicht, dass ich den ganzen Abend mit der neuen Freundin des Gastgebers – sagen wir -atmosphärische Störungen habe, weil drei der Gäste dachten, ich sei die Neue und mich mit Handkuss begrüssten. #moniiiiiika
  7. Gewähren lassen. Alles wird gut.
  8. Den Akoholpegel ausbalancieren. Zickig ist schwierig. Voll ist laut. Streit ist peinlich. Betrunkene Frauen am Tisch traurig. Betrunkene Männer auch. Neue Freundinnen anstrengend (besonders fuer sich selbst, ich weiss, ich kann es nur nicht auffangen.) Neue Freunde auch. Ewige Paare erst. #loriot
  9. Danke sagen, wenn´s vorbei ist. Wenn die Küche sauberer ist als vorher, wenn 14 Stunden bei euch verbracht durch sind und wir noch eine weitere durch den Nebel nach Hause fahren. Sagt einfach danke, trinkt ein Glas Wein mit uns; und rührend stilvoll ist es, wenn ein Umschlag den Besitzer wechselt, weil Ihr uns einen Gruss geschrieben habt und wusstet, dass Ihr den Abend so schön finden werdet, dass Ihr schon vorher ans Trinkgeld gedacht habt. #dankeheisstmerci

Beitrag veröffentlicht

in